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Datum: 22.11.2018

Zuhören, Mut schenken, Perspektiven eröffnen

Der Landkreis Oberhavel hat den gebürtigen Jordanier Said Ibaidi als Migrationspsychologen eingestellt
Said Ibaidi in seinem Büro im Gesundheitsamt.

© Landkreis Oberhavel/Constanze Gatzke
Seit September dieses Jahres hat der Landkreis Oberhavel einen eigenen Migrationspsychologen: Der gebürtige Jordanier Said Ibaidi füllt die vielseitige Aufgabe aus.  „Working with Differences“ – mit den Unterschieden arbeiten, lautet sein Motto. „Ich bin glücklich hier in Oberhavel, das Kollegenteam hat mich sehr nett empfangen und ich liebe meinen Job, bei dem ich auf die Menschen zugehen kann, ihnen Mut schenken und Perspektiven eröffnen kann“, sagt Ibaidi.

Auch Amtsarzt Christian Schulze ist begeistert von seinem neuen Mitarbeiter im sozialpsychiatrischen Dienst. Seit Beginn der Flüchtlingsbewegung fordern Psychologen eine bessere Betreuung der Migranten in den Not- und Gemeinschaftsunterkünften. „Doch nicht nur hier fehlen therapeutische Fachkräfte, auch für anerkannte Flüchtlinge und Spätaussiedler benötigen wir Unterstützung. Unser sozialpsychiatrischer Dienst betreut seit Jahren immer öfter auch Flüchtlinge, aber die Sprachbarrieren machen die Arbeit schwer“, so Schulze.

Deshalb war er auf der Suche nach jemandem, der die Sprache der Flüchtlinge spricht und sein multikulturelles Wissen mit der Arbeit im sozialpsychiatrischen Dienst vereint. „Die Sozialarbeiter in den Gemeinschaftsunterkünften haben ein Gespür dafür entwickelt, welche Personen dringend Hilfe benötigen. Sie haben mich gleich kontaktiert und schon an meinem zweiten Arbeitstag hatte ich mein erstes Gespräch in einer Flüchtlingsunterkunft“, erinnert sich Ibaidi.

Zugewanderte Menschen starten durch teils extreme Flucht- und Migrationserfahrungen ihr Leben in Deutschland bereits traumatisiert, mit Angststörungen oder Depressionen. Ein „normaler“ Alltag ist kaum möglich. Verständnis, Geduld und Respekt für kulturelle und auch sprachliche Unterschiede auf Seiten des Therapeuten sind dann entscheidend für den Verlauf der Erkrankung. Hier beginnt die Arbeit für Said Ibaidi. „Migranten haben oft ein großes Problem, Vertrauen zu schenken. Ich spreche Arabisch oder Englisch mit den Flüchtlingen, kenne ihre Kultur und begegne ihnen auf Augenhöhe. Dadurch öffnen sie sich mir gegenüber schneller“, sagt der Psychologe mit palästinensischen Wurzeln.

Anfang der 80er Jahre kam Said Ibaidi zum Studieren nach Deutschland. Er ließ sich zum medizintechnischen Assistenten ausbilden, um die Wartezeit fürs Studium zu überbrücken. „Doch ich wollte immer schon mit Menschen arbeiten, nicht mit Reagenzgläsern“, sagt Ibaidi. So studierte er an der Freien Universität Psychologie  bei Klaus Holzkamp. Später promovierte er und ließ sich zudem zum Sozialtherapeuten ausbilden. Zuletzt hat er mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen im Barnim gearbeitet. Im Juli dieses Jahres ist das Projekt jedoch ausgelaufen.

Oberhavels Migrationspsychologe weiß aus eigener Erfahrung um die intellektuellen Ressourcen der Flüchtlinge. „Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Psychische Stabilisierung funktioniert nicht ohne soziale Stabilisierung. Geduldig zuhören, aufbauen und bei psychischen Problemen dabei unterstützen, selbst aktiv zu werden – ob beim Klinikaufenthalt, der Wohnungssuche oder bei Ausbildung und Studium – das ist meine Aufgabe“, so Ibaidi.

Mittlerweile hat er jede Gemeinschaftsunterkunft besucht und sich persönlich vorgestellt. Derzeit systematisiert und strukturiert er seine Aufgaben und baut sein Netzwerk in Oberhavel weiter aus: „Um nicht nur Migranten in den Unterkünften zu erreichen, werde ich Akutsprechstunden anbieten. Außerdem habe ich mir bereits ein Büro in Hennigsdorf eingerichtet, um noch enger mit der Fachabteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Oberhavel Kliniken in Hennigsdorf zusammenarbeiten zu können“, sagt Ibaidi.

In naher Zukunft will der Landkreis zudem einen Migrationssozialarbeiter einstellen, der dann – gemeinsam mit Said Ibaidi – als Mikroteam im sozialpsychiatrischen Dienst agiert und sich nur auf die Belange von Migranten in Oberhavel konzentriert.

Said Ibaidi

© Landkreis Oberhavel/Constanze Gatzke